Die Dunklen Seiten des EH-Lebens
(EHs sind im DED-Slang die Entwicklungshelferlein)

Letzte Aktualisierung: 21. Juni 97

Leichter Kulturschock und beginnende Insektenphobie begleiteten den Einstieg ins afrikanische Arbeitsleben. Hier sind Ausschnitte aus dem Brief:


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Frust

Irgendwie hab' ich im Moment nix, was mir so den Kick gibt. Obendrein: nischt zu trinken, nischt zu rauchen, nischt anständiges zu essen, keine Sweeties, keinen Kuchen, kein Kino, keine Kneipe, kein Schwimmbad, keine Freunde, keine anständige Arbeit eben gar nix. Das kotzt mich gerade ziemlich an.
Skat ist bisher auch noch nicht einmal gelaufen, die Jungs sind irgendwie lahm oder sie haben keine Lust und sagen das aber nicht. Ich habe jetzt schon mindestens 10x nachgefragt, immer gab es irgendeinen Grund, warum wir nicht spielen konnten. Ich habe auch schon gefragt, ob wir denn überhaupt spielen wollen, die Antwort war ja, nur wann?

Haus und Fauna

Mein Haus mag ich immer noch nicht besonders, bzw. eigentlich immer weniger. Es ist nahezu unmöglich, daraus jemals etwas Gemütliches zu machen. Es ist einfach alles schmuddelig, hingeknallt, zusammengeschustert, halbfertig und lieblos. Die Fenster gehen nicht richtig zu öffnen, weil überall diese Klappgitter davor sind, sie gehen aber ebensowenig richtig zu schließen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Lamellen hoch oder Lamellen runter.
Gegen 18.00 geht die Sonne schlafen und da ich normalerweise nicht vorhabe, sofort mit ins Bett zu gehen, muß das Licht angemacht werden. Inzwischen sind zwar Fliegengitter vor ein paar Fenster und eine Tür gekommen, das ändert natürlich gar nichts daran, daß die Insekten zu Hundertschaften hier Einzug nehmen. Anfangs habe ich mir eingebildet, ich halte das alles aus. Ich habe die Mückenstiche ertragen, das Angespringe der Grillen und den Aufenthalt handtellergroßer Spinnen im gesamten Haus, auch direkt über meinem Bett.
Ich habe mich beruhigt, wenn ich nachts wach wurde von der Juckerei, habe geduldig die Rückkehr von Gero und Martina aus N'Djamena abwarten wollen, weil die beiden mir ein großes Moskitonetz besorgen wollten.

Die Kollegen

Am Samstag sind sie von der Versorgungsfahrt zurückgekommen: Ich bekam ich dann alles Eingekaufte in einer Kiste hingestellt: 4 anstatt 2 Päckchen Kaffee, den falschen, bereits aufgegangen (alle! ), 4 Päckchen Butter (keine Ahnung wie sie darauf kamen, ich wollte kein einziges), statt 2 Stückchen Schnittkäse und, wenn möglich, ein Päckchen Feta, lag da ein Rondel Schmierkäseeckchen, ein hyperstrenger Camembert, noch ein ähnlich strenges Exemplar Camembert und ein "leckerer" Limburger. Ich esse bestimmt fast alles an Käse, aber die haben es geschafft, gezielt genau den zu nehmen, den ich nicht möchte.
Dann bat ich, mir 2 oder 3 Flaschen trockenen französischen Rotwein mitzubringen. Was haben sie gekauft? 2 Flaschen spanischen Rosé! Ich hasse Rosé! Das Moskitonetz hatte mindestens 10 Löcher und war um Längen, Breiten und Höhen zu klein.
Jetzt muß ich mir eins nähen lassen. Den Stoff gibt es nicht zu kaufen, d.h. es gibt fertige Moskitonetze, die eben auseinandergeschnitten werden müssen und dann: aus 2 mach 1; bisher hatte ich hier noch kein Glück mit den Schneidern, ich hoffe, das ist diesmal anders. Ich habe eine Zeichnung und ein kleines Modell gebaut, um dilettantischen Ideen der Schneider die Luft aus den Segeln zu nehmen. Mal sehen, was daraus wird.

Lauschige Abende auf der Terrasse

Ja, da sind wir wieder bei den Abenden, die man sich lauschig auf der Terrasse denkt, vielleicht mit ein paar netten Leuten quatschen oder etwas lesen, oder was malen, oder in den Himmel träumen und Musik hören; etc.... weit gefehlt!
Da kommen jetzt Libellen in Größen von 15 - 20 cm angesaust, verfangen sich im Kleidung und Haaren, desgleichen die großen Heuschrecken, die auch die stattliche Größe von bestimmt 20 cm erreichen. Dann habe ich schon ein paar von den kleinen Heuschrecken gleich an meinem Körper zerdrückt, kurz vor einem hysterischen Aussetzer, und im Wohnzimmer ist ein munteres Treiben: eine Wand ist schwarz von kleinen, braun bepanzerten Käfern, die Wand wabert, bei mir herrscht Ekel vor und ich möchte ausreißen.
Da denkt sich ein jeder, ist ja kaum auszuhalten, aber es wird noch besser: hier kommen schwadenweise (einzeln kommen die nicht) längliche schwarze Käfer angeflogen. Die springen und setzen sich überall hin. Kommst Du denen in die Quere, werden große, brennende, geschwollene Fladen hinterlassen, die sich oft entzünden und anschließend eitern. Die machen das auch, wenn keine Bewegung und keine Bedrohung da ist - ausprobiert!- Ich beiße die Zähne zusammen und kämpfe!
Gestern habe ich trotz anhaltenden Schwindels, pochendem Kopfschmerz und Übelkeit einen hysterischen Anfall wegen der ganzen Insekten gekriegt. Ich habe versucht, alle Löcher mit Handtüchern zuzustopfen, bin mit der todbringenden Sprühdose durch die Zimmer gefuhrwerkt, habe Latschen und alles was zur Verfügung stand eingesetzt, um möglichst viele von den Viechern auf einmal zu killen und dachte immerzu, wie ekelhaft ich die finde; gesprüht, geschlagen, getreten, mich erwehrt und laut geflucht. Ich hatte für jedes getroffene Vieh einen vernichtenden Spruch parat.

Gefahren im Verkehr

Ich bin etwas angeschlagen, im wahrsten Sinne des Wortes! Ich bin am Donnerstag mit dem Kopf bei einer Bodenwelle so gegen das Autodach geknallt, weil ich einen Moment nicht auf die Straße geachtet habe, daß mir schwarz vor Augen wurde. Ich habe mich damit 2 Tage ins AUS versetzt und mir ist immer noch nicht gut. Das war eine saftige Gehirnerschütterung, Schwindel, Übelkeit, Dauerschlaf, trockener Mund, Koordinationsschwierigkeiten. (Versprechen nicht gehalten, Gurtverschluß ist kaputt!).

Afrikanische Nächte

Nun konnte ich mich nicht einmal entspannt hinlegen, weil es einfach nirgends gemütlich ist. Die Matratze ist das LETZTE! Die Baumwolle heizt sich auf wie nix und gibt dann alle Energie ab, wenn man sich drauf legt -habe ich schon erzählt und das könnte ich in Kauf nehmen; die ist nun in der kurzen Zeit so durchgelegen, natürlich nicht gleichmäßig, daß ich nur noch mit Atembeschwerden und Rückenschmerzen, Gliederschmerzen und Druckstellen wach werde. Durchschlafen kann ich hier gar nicht, was für mich auch etwas ganz Neues ist. Sonst lege ich mich hin und bin ratz batz eingeschlafen Hier ist immer ein Höllenlärm, das macht auch etwas aus.
Die Insekten klatschen irgendwo gegen (nicht nur gegen mich), 'ne Art Gekko mit Krallen (Maraguyas?) befinden sich in großen Mengen in den Dachzwischenräumen, lassen sich mit Wonne von oben fallen und das hört sich an, als ob jemand einen Sessel umstößt. Ich werde davon wach. Die Katze jagt die Maraguyas und schmeißt sich ohne Rücksicht auf Verluste überall dagegen. Ich habe sie dabei beobachtet und habe sie echt bewundert. Wenn sie das allerdings mitten in der Nacht macht, finde ich das nicht so großartig.
Heute um 5.00 aufgestanden, durchgeschwitzt und immer noch nicht so richtig gut gelaunt. Auf dem Weg in die Küche kommt mir plötzlich eine dicke Kröte gemächlich entgegengehüpft. Was hier so alles reinkommt, ich glaube es kaum.

Die Arbeit

Die Arbeit ist keine. Ich habe das Gefühl, die Stelle ist nicht "nur" auf meine Qualifikation umgeschrieben worden, sondern sie ist grundsätzlich konstruiert. Ist es nicht so, daß der Programmassistent zum BA werden kann, wenn soundso viele EHs da sind? Das wäre ein Grund.
Das, was ich hier machen soll, macht bereits kompetent, strukturiert und organisiert eine einheimische Organisation, die auch entsprechende Berater ausbildet und mit deren Präsident ich mich bereits unterhalten habe. In der Mairie habe ich kein Büro, meinen Computer darf ich nicht mitbringen, weil der da nicht versichert ist, an Sitzungen darf ich nicht teilnehmen, weil die Leute dann nicht wissen, was ich eigentlich mache und wo ich noch überall meine "Finger drin habe", an Fortbildungsveranstaltungen kann ich nicht teilnehmen, weil die Mittel und der Platz fehlen und ein Gespräch findet nicht statt, weil so viel zu tun ist.
Ich darf aber Briefe durch die Gegend fahren. Dabei habe ich mir dann prompt die Gehirnerschütterung zugezogen. Ich werde als Bote für alles Mögliche mißbraucht und muß jetzt sehen, wie ich das alles anders strukturiere.

Die Stadt

Abéché ist keine Stadt, Abéché ist eine Oase oder eine Kleinstadt im Busch. Hier gibt es kein Entkommen in der Regenzeit. Die Fliegerfrage (das einzige Flugzeug ist in Reparatur) braucht man sich nicht zu stellen, die erfordert halt Patience, Regelmäßigkeiten wird's da nicht geben, weil die Maschine erst einmal gar nicht da ist und wenn sie da ist, ist sie auch ausgebucht etc,etc ..

Das Essen

Das Essen mag ich im Moment gar nicht, ich hab auf nichts Appetit. Die Auswahl ist halt doch sehr gering: Möhren, Kartoffeln, rote Beete, es gibt noch: Salat, Gurken, Tomaten, Mangos, Bananen, Ananas aus der Dose. Ja, Reis und Nudeln, Eier und, Trockenmilch gibt es auch, Zwiebeln und Knoblauch nicht zu vergessen. Das hört sich nach Auswahl an, ist aber schnell abgefriihstückt. Eier kann ich nicht mehr sehen, die haben hier einen dauerhaften Nachgeschmack, den ich jetzt schon schmecke, wenn ich bloß an Eier denke; der Kaffee schmeckt nicht richtig, hat bestimmt auch was mit dem Chlor im Wasser zu tun.
So jetzt habe ich noch versucht einen Kuchen zu backen, was natürlich auch schiefgehen mußte. Der Ofen wird dermaßen heiß, daß der Kuchen keine Chance hatte, gar zu werden. Da ist er schon auf niedrigster Flamme und oberster Stufe nach 10 Minuten total verbrannt. Den Backofen kann ich sozusagen nicht gebrauchen.

Was fehlt..

Naja, ich könnte fortfahren, mich zu beklagen, aber davon wird es nicht besser. Mir fehlen so viele Dinge, ich konnte einfach viel zu wenig mitnehmen. Die Idee, ich könnte zu viele Bücher mitgenommen haben, war irrsinnig. Was das Schlimmste ist, ich habe kein Universallexikon mitgenommen, kein Fremdwörterlexikon, keinen Rechtschreibduden, meine ganzen Nachschlagewerke und alle Antworten, wenn ich mir Fragen stelle oder sich solche aufdrängen, liegen zu Hause im Schrank.

Arabisch

Mein Arabisch ist keines, aber Wort für Wort kommt man sich näher! Feminin und maskulin wird bei allem und jedem unterschieden und ergibt dann manchmal ganz andere Wörter. Die Anrede, Begrüßung etc. muß je nach Geschlecht, Singular oder Plural, wiederum unter besonderer Berücksichtigung des Geschlechtes gewählt werden.
Die ganze Sprache funktioniert so; dann gibt es fast immer noch einen Begriff, der aus dem literarischen Arabisch kommt, im Gegensatz zum dialektischen; alle Zeiten mit einem Verb durchzukonjugieren nähme seine Zeit in Anspruch und können wahrscheinlich nur wenige. Das Arabisch von hier versteht in N'Djamena schon kein Mensch mehr, wurde mir gesagt. Ich lerne trotzdem immer zwischendurch und gebe die Hoffnung nicht auf, wenigstens ein bißchen zu können

Das Wetter

Auf dem Weg zurück vom Vermieter (ich mag mein Haus nicht und suche etwas anderes) ging dann in Sekundenschnelle ein Sandsturm los, der sich gewaschen hatte. Eben sah ich noch ganz weit hinten eine braune Wand ankommen, da war ich schon mittendrin und alles wurde schwarz. Ich habe mich sofort von der Straße heruntergetastet und bin mit Licht stehengeblieben; was anderes konnte ich gar nicht machen.
Der Sturm hielt über 30 Minuten in dieser Stärke an. Dann beruhigte sich alles ein bißchen und ich konnte wieder was sehen. Zu Hause angekommen, waren alle Zimmer unter Sand gesetzt. Eine ca. I cm dicke Sandschicht lag auf allem! Ich konnte nur noch lachen und habe sofort angefangen, alles nach draußen zu räumen. Bis 24.00 habe ich geackert, dann habe ich mir noch Pellkartoffeln gekocht und ein Bier dazu getrunken, anschließend bin ich dann schlafen gegangen.

Fazit

Man sieht, ich bin also momentan bester Dinge, hier mein Leben richtig einzustimmen und eine erfolgreiche Arbeit abzuliefern.

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