Hauptseite Der Rausfahrer-Report

14.1.01 Nordwesten:
Rauhreif und cool mit der Prignitzer Eisenbahn

Vom GPS aufgezeichnete Strecke,
mit Waypoint+ geplottet

Tracklog zum Runterladen auf www.tracklog.de


Kalte Finger sind zum ... Saukalt war's am Startpunkt West. Drei Rausfahrer (es scheint nur vier echte zu geben) mit 5 Zylindern (1+1+3) brieten mit eiskalten Fingern und später auch noch Eisbeinen und über von raureifüberzogenen Bäumen gesäumte Alleen durchs Havelländische Luch, immer knapp über der Glatteisgrenze und dann und wann auf ziegelsteingepflastertem Untergrund. An solchen Tages ist es gut, ein Ziel zu haben, an dem man sich längere Zeit aufhalten kann und das überdacht und geheizt ist.

Der Verkehr war auf diesen Nebenstraßen zwischen Ketzin und Friesack über Barnewitz und Kotzen und der Nebenstrecke von Friesack über Stölln nach Neustadt fast Null. Das ist es, was FerkeltaxenfahrerarbeitsplatzausblickWintertouren trotz kleiner Komforteinbußen so interessant macht: Landschaften, die man im Sommer kennen gelernt hat, verändern so nachhaltig ihr Aussehen, dass es wie eine Fahrt durch bisher unbekanntes Land ist. Nebel liegt über den Wiesen, die Straßen sind gesäumt von schneeweißem Unkraut und selbst in den Dörfer herrscht die totale Ruhe und Einsamkeit. Nur die Katzen schlichen draußen umher.

Nach einer Aufwärmpause im Supermarkt mit angeschlossener Zapfsäule in Neustadt und Entmystifizierung eines Fahrkartenautomaten bestiegen wir diese Prignitzer Spezialität, nämlich einen Schienenbus bzw. Ferkeltaxe. Das Innere dieser Fahrhütte in dezentem leuchtpink mit krassblauen Der pink-blaue Salon bei 45 Km/hSitzen und von unten sonor brubbelnden und von Pflanzenöl befeuertem Diesel strahlte den Charme der 50er Jahre aus. Die Prignitzer Eisenbahn ist ein Knaller. Bei der Ausfahrt - von vielen Schaltvorgängen begleitet - sahen wir noch, wie Angelika ihr Mopped vorm Bahnhof abstellt. Keine Chance uns einzuholen, obwohl der Schienenbus mit gemütlichen 40-45 km/h und einer Maximalgeschwindigkeit von GPS-gemessenen 61 Km/h fuhr. Der beste Platz ist vorn oder hinten, denn dann hat man einen Rundumblick über die Landschaft und die Dörfer, die hier völlig abseits und unberührt von der Infrastruktur Pritzwalk City Stationgrößerer Straßen vor sich hin schlafen. Selbst die meisten Bahnhöfe an der Strecke sind von der sonst üblichen Umbauwut seit ihrer Entstehung verschont geblieben. Die Konduktöre der seit 1997 im stündlichen Takt verkehrenden Schienenbusse haben offensichtlich nicht bei Bahn AG gelernt, denn sie sind freundlich, witzig und zu jeder Auskunft bereit. Fast sieht es so aus, als würden sie die Züge zu ihrer eigenen Freude lenken. Von Neustadt kann man übrigens auch nach Rathenow und Neuruppin fahren, von Pritzwalk weiter nach Putlitz oder Meyenburg. Die Abfahrtzeiten erfährt man bei der Bahnauskunft (Link ist unten).

Cool mit der Bahn - eingezäunt und wasserdicht Nach knapp einer Stunde, mehreren vorsichtig überfahreren Straßenübergängen und immerhin 40 Kilometern betraten wir einen anderen Stern: Pritzwalk.

Ausgestiegen sind wir auf einem riesigen Bahnhofsgelände im Endstadium. Silos, einige Güterzüge und viel Hotel der Handelsorganisation - vergessenzu viele Gleise vor einem Wohnturm. Die monumentale Bahnhofshalle beherbergt einen Imbiss ('Cool mit der Bahn' heißt er). Vorm Imbiss in der Halle stehen Tische und Stühle und - wie es sich gehört - außen herum ein Zaun. Darüber blinkende Glühbirnenketten und alles mit Girländchen und Glitterkram verziert. Noch von Weihnachten, Silvester oder bereits Karnevalequipment? Fahrkartenausgabe, Gepäckannahme und Bahnhofsvorsteher - die Schilder sind noch da, die Funktion schon lange nicht mehr. Aber der Ausgang in Richtung Pritzwalk-City funktioniert noch.

Stadtansicht mit populärer VordergrundskulpturDann ein Spaziergang durch Pritzwalk. Die einzige Attraktion: Ein Hahn mit 2 Hühnern und das Stadtpanorama, das sich im bröseligen Schaufenster eines Sex-Shops spiegelte. Weiter zur anderen Stadtseite, vorbei an noch nicht verblichenen Werbebotschaften, die eine Übernachtung im HO-Hotel anpreisen. Neufünfländische neue RechtschreibungIn der Fußgängerzone waren wir die einzigen Fußgänger, die an leerstehenden Geschäften vorbei flanierten, dann über ein Flüsslein und an den Resten einer Stadtmauer vorbei zur Preussen-Bier Brauerei. Wahnsinn! Es gibt ein Leben nach der Wende!

Unterm roten, backsteinernen Gewölbe der altem Mälzerei brachte die Azubi Melanie Biersuppe und andere sehr ordentliche Gerichte. Dazu gibt es auch ein Zwickel (ungefiltertes Bier) frisch aus den Rohren der Brauerei. Im Sommer lässt es sich im Biergarten bestimmt gut aushalten. Eine weitere Spezialität der Nachwendezeit scheint gerade in Pritzwalk viele Liebhaber gefunden zu haben: Das nichtauslassungskennzeichnende Apostroph! Ferkeltaxe in Pritzwalk, auf Rausfahrer wartend.An "Gabi's Getränkeshop" oder "Mario's Imbiss" hat man sich schon gewöhnt, aber "Montag's geschlossen" und "Dessert's" als Kapitelüberschrift in der Speisekarte sind neue Kreationen und noch gewöhnungsbedürftig.

Beim Durchmessen der Stadt auf dem Rückweg zum Bahnhof mussten Zwischenspurts eingelegt werden. Die kurz vor dem endgültigen Verfall stehende Unterführung zum Bahnsteig kann man getrost abkürzen und direkt über die Gleise spurten. Eine Stunde und 10 kaiserliche Miniaturbahnhöfe später landeten wir wieder in der Jetzt-Zeit, hüpften auf die Moppeds und rödelten durch die Dunkelheit über die F5, an der in jedem Dorf die Blitzautomaten emsig ihre Arbeit verrichteten, nach Berlin. Im Marinella waren nicht mal mehr Drinbleiber zu finden.

Peter

Winterliche Allee bei Nennhausen mit Tigerchen


Linktips

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Im Detail

Speeeeed! Glienicker Brücke- Potsdam - B2 nach Neu Fahrland, Fahrland - zur B273 Richtung Marquardt - direkt hinter Autobahn L92 über Uetz (nettes Luchgebiet) nach Ketzin - (Tonseen) Zachow - Roskow - L91 rechts Päwesin (Ziegelpflster) - links L912 Bollmannsruh - Gortz - L911 Barnewitz - kurz rechts, dann links K6311 Garlitz - L982 Buckow - Nennhausen rechts und wieder links und dann rechts die K6315 den Berg rauf - wunderschöne Allee nach Kotzen - B188 zur B5 links - Friesack - links L17 Richtung Rhinow - Klessen - hinter Schönholz-Neuwerder rechts - K6815 Giesenhorst - Dreetz - Neustadt/Dosse (Bahnhof) - Abstecher nach Hohenofen zur Papierfabrik ist ein Muss!) - Kampehl (Schrumpelleiche - aber zu touristisch) - B5 Bückwitz und geradeaus bis Berlin - Marinella - macht 210 km plus 80 mit der Bahn.


THE END

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