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Die Rausfahrer

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FirmenschildWas eine Pfeffermühle macht, ist bekannt, sie zerkleinert eben jenes Gewürz. Aber was macht eine Wassermühle? Naja, im Hundekuchen sind ja auch keine Hunde drin, also kommen wir zum nächsten Kalauer: Worin steht ein Mühlenmuseum? Genau, in Worin. So heißt nämlich ein kleines Dorf, das ein paar Kilometer nördlich der B1 (zwischen Müncheberg und Seelow) liegt. Es war eines unserer Ziele auf der Motorradtour am vergangenen Sonntag.

Wie sich in dem dreigeschossigen Bau zeigte, ist eine solche Mühle eine aufwendige Sache. Die Kraft holte sich der Müller aus dem benachbarten Bach, lenkte sie über Wellen, Kegel- und Tellerräder zu den Mahlwerken. Abtriebe über lederne Transmissionsriemen bewegten das Zubehör und Werkzeuge, wie etwa Schleifsteine. Interessant ist dabei, dass nicht nur die Wellen, sondern auch die Umlenk-Zahnräder aus Holz bestanden. Metall war nicht nur teuer, sondern auch stabiler und das kann von Nachteil sein, wenn etwas klemmt. Dann bietet der Werkstoff Holz Sollbruchstellen es geht also nicht so viel kaputt.

Trasnmissionen über TransmissionenIm Mittelalter waren Mühlen so kostspielig, dass nur Städte, Feudalherren und Klöster sich solche Einrichtungen leisten konnten, erfahren wir hier. Und deshalb wurde auch der "Mühlenbann" eingeführt innerhalb eines Gebietes durfte nur eine bestimmte Anzahl von Mühlen errichtet werden. Damit sich die Investition lohnt, sollte jeder Müller auch wirklich genug zu tun haben.

Übrigens galten die Müller bei den Bauern als unehrlich, ihnen wurde schnell einmal Diebstahl vorgeworfen. Der schlechte Leumund war überaus unfair, denn diese Handwerker mussten "Generalisten" sein. Sie brauchten nicht nur großes Wissen über das Getreide, mit dem sie arbeiteten, von ihnen wurden auch viele Kenntnisse aus dem Bereich der Holzverarbeitung verlangt. Schließlich mussten sie "ihr" Mahlwerk ständig gangbar halten.

Das ist ganz historisch und mühleneigenes KulturgutDie Mühle in Worin wurde bereits 1398 erstmals urkundlich erwähnt, 1624 auch explizit das Wasserrad. Das Gebäude, so, wie es heute zu sehen ist, soll 1825 entstanden sein; der Großteil der nun noch vorhandenen Einrichtung stammt aus den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Freilich ging auch dieser Betrieb mit der Zeit, erst wurde das Wasserrad durch eine Turbine ersetzt, von 1914 an kam ein Elektromotor hinzu.

All das arbeitete bis 1960, in den anschließenden zehn Jahren wurde dort nur noch Getreide geschrotet, dann hatten die Anlagen ausgedient. Die Gemeinde kaufte sie 1985, aber erst seit 1992 kümmert sich ein Verein interessierter Anwohner darum, die Mühle zu erhalten. Und auch jetzt laufen die Rekonstruktionsarbeiten noch, immerhin unterstützt durch EU-Fördermittel.

Einmal in dieser Gegend, war es nicht weit zum Museum an den Seelower Höhen, am Ortsausgang der B1 in Seelow. Auch hier sorgen engagierte Mitarbeiter dafür, dass Vergangenes nicht vergessen wird. Allerdings verfliegt die muntere Flapsigkeit, die bis dahin die Besucherrunde beherrschte, schnell. Denn hier, wo die letzte große Schlacht des Zweiten Weltkriegs (vor der Einnahme Berlins) stattfand, wird deutlich, dass zumindest an diesem Punkt der Geschichte nur noch Opfer aufeinander gehetzt wurden.

Gedenkstätte Seelower HöhenAuf deutscher Seite waren es Kinder und Greise, auf russischer Seite Soldaten, die den Wunsch Stalins zu erfüllen hatten, den Sieg über die Nazis pünktlich zum 1. Mai 1945 zu melden was bekanntlich erst am 8.Mai geschah. Mehr als 50.000 Menschen verloren von Januar bis März jenes Jahres beim Kampf im Bereich der Seelower Höhen ihr Leben. Die Altstadt von Küstrin wurde dabei ebenso von der Karte gewischt wie etliche Dörfer in der Umgebung. Und noch heute soll man in den Wäldern vorsichtig sein es liegt wohl immer noch scharfe Munition dicht an der Oberfläche des Bodens. Zudem werden dort auch jetzt noch Gebeine von Gefallenen ausgegraben und nach dem Versuch einer Identifizierung sorgsam bestattet.

Das Frühjahr 1945 war außergewöhnlich warm, hören wir, und die am Leben Gebliebenen mussten der Seuchengefahr entgegen wirken. Da außerdem praktisch keine Hilfsmittel übrig geblieben waren, wurden die Leichen so schnell und auf so einfachste Weise wie möglich verscharrt. Für eine Aufnahme der Toten in Gefallenenlisten war weder Zeit noch Gelegenheit, was die Ermittlung von einzelnen Schicksalen oft unmöglich macht.

Dies gilt übrigens noch viel mehr für das, was anschließend im Süden Berlins stattfand, als die eingekesselte und praktisch schon geschlagene 9. deutsche Armee den Russen immer noch Widerstand entgegenzusetzen versuchte. Das überlebten rund 170.000 Soldaten nicht, allein im Ort Halbe sollen 8000 Menschen getötet worden sein, ist zu lesen. Gefechten in der Umgebung fielen auch noch Tausende flüchtender Zivilisten zum Opfer. Etliche von ihnen sind auf dem sieben Hektar großen Zentral-Waldfriedhof von Halbe beigesetzt.

Wer das alles aus heutiger Sicht betrachtet, hat es schwer, das Geschehene nachzuvollziehen. So ist der Besuch in Seelow also wieder ein Anstoß, sich mit den wichtigsten Ursachen zu befassen, die dieses Ende ausgelöst haben. Mit der Weltwirtschaftskrise etwa, die um die acht Millionen Menschen arbeitslos machte, mit der rigiden Sparpolitik des Kanzlers Brüning, die die Menschen in die Arme der Nazis trieb, welche ihrerseits ohne die finanzielle Unterstützung der Industrie (vor allem Kohle und Stahl) wohl keine Chance gehabt hätten.

Nachdenklich geht es nach Haus zurück, an abgeernteten Feldern, Wiesen und Wäldern vorbei, die so friedlich in der Landschaft liegen, dass man es sich gar nicht vorstellen kann, wie es wohl damals ausgesehen haben mochte. Das Umland Berlins zeigt ja eine Vielzahl von Verweisen auf die Geschichte. Wer darauf stößt, sollte allerdings nicht an der sichtbaren Oberfläche verharren so wie manche junge Leute, die sich jene Jahre zurückwünschen, weil sie hinter dem falschen Pathos weder Leid noch Elend erkennen.

Das war diesmal also ein Sonntagsausflug, der befangen machte vielleicht letztlich auch durch die Erkenntnis, dass ein Leben, wie wir es gewohnt sind, nicht selbstverständlich ist.

So steht's auf TSP-Logo-Motorradseite. Der Autor Gido hat den Klau freundlichst genehmigt.

 

 

Fortsetzung

Nun ja, auch Betroffenheit macht Hunger. Und so haben wir diesmal das Vergnügen, die volle Anzahl Helme (nämlich drei) dem kleinen Restaurant in Jahnsfelde an der B1 zwischen Seelow und Müncheberg zu verleihen. Es ist das rechts an einer Verkehrsinsel in Richtung Berlin ein paar Stufen bergab gelegene, erkennbar an den Veltins-Sonnenschirmen. Eine Bedienung mit schneller Auffassungsgabe, dazu schnelle und gute Küche und umsichtiger Service - schon gibt's 3 Helme! Die Kollegen in der Gegend hatten um 19:00 schon genug verdient und samt und sonders geschlossen.

Es ist zum Heulen: Immer auf dem Rückweg landen wir irgendwo im Gelände, müssen anderntags das Unkraut aus der Kette und zwischen Motor und Rahmen rauszupfen und können froh sein, keine Ladung Schrot aus anderen Teilen zu polken. Aber auch diesmal wurde kein Gesperrt-Schild gesichtet. Vielleicht sollten die Findlinge vor dem Weg nur die BMWs filtern?


THE END
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